Trauer nach Suizid – KEINE TRAUER WIE JEDE ANDERE Seit einigen Jahren versetzen uns die Schlagzeilen in den Medien in Angst und Schrecken. Kein Tag vergeht, wo in den Nachrichten nicht Klimakrise, Inflation, Flüchtlingsströme, Ukraine-Krieg thematisiert werden. All- gemeine Zukunftsängste nehmen einen immer größeren Raum ein. Daneben können jeden Menschen auch schwe- re persönliche Krisen treffen. Ängste und Depressionen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Wenn dies alles zusammenkommt, können Ausweglosigkeit und Verzweiflung so massiv werden, dass Menschen keinen anderen Weg mehr sehen, als sich das Leben zu nehmen. Es betrifft viele Es sind fast 10 000 Menschen jedes Al- ters jeden Geschlechts, Gesunde und Kranke, die sich jedes Jahr in Deutsch- land das Leben nehmen. Jeder dieser Menschen hinterlässt fünf bis sieben Angehörige, die von der Selbsttötung betroffen sind. Unberücksichtigt blei- ben dabei Personen mit mehr Distanz zum Verstorbenen, wie z. B. Schulklas- sen, Arbeitskollegen, Vereinsfreunde, Nachbarn und andere Gruppen. Auch sie sind fassungslos, hilflos und trau- ern. Man geht davon aus, dass bei ei- nem Suizid etwa 20 weitere Personen aus dem nahen Umfeld tief berührt sind und persönliche Krisen durchle- ben. Deutschlandweit bedeutet das, dass aktuell mehrere Hunderttau- send Menschen die Trauer nach einer Selbsttötung beschäftigt. Die Frage nach dem Warum Wir verstehen in der Regel nicht, wa- rum sich jemand das Leben nimmt. Wir stehen fassungslos vor dieser Ent- scheidung und suchen Fehler im Le- ben dieses Menschen, bei uns selbst, bei Menschen, die ihm nahestanden. Die Frage nach dem Warum, wer hat Schuld, steht übergroß im Raum. Nie- mand tötet sich leichtfertig. Immer geht eine Zeit des Leidens voraus, die manchmal für die Hinterbliebenen sichtbar, oft aber unbemerkt verläuft. Suizid ist eine Form zu sterben, diese wertfreie Feststellung kann hilfreich sein und helfen, diese Todesart des Angehörigen zu akzeptieren. Jeder Todesfall ist mit Trauer und Kum- mer verbunden. Jedoch hat die Art des Todes einen wesentlichen Einfluss auf die Trauer und die Lebensbewältigung danach. Eine Selbsttötung bringt Fra- gen und Erschwernisse mit sich, die bei anderen Todesarten nicht oder nicht in dieser Heftigkeit auftauchen. Wenn ein Mensch sein Leben durch Suizid beendet, gerät für die Hinterbliebenen alles ins Wanken. Ein Suizid verändert ihr Leben grundlegend. Schock und Selbstzweifel Da Suizid kein gewöhnlicher Todes- fall ist, muss die Polizei ermitteln, um die Möglichkeit eines Verbrechens auszuschließen. Der Leichnam wird beschlagnahmt und darf bis zum Transport in die Gerichtsmedizin von Angehörigen nicht berührt und ver- sorgt werden. Angehörige werden befragt, ein Abschiedsbrief gesucht, Zimmer versiegelt. Der Schock ist groß, Angehörige erleben diese Zeit und die Wochen danach oft wie in Watte ge- packt. Es geht nur noch um das Überle- ben, wie bewältige ich den nächsten Tag, die nächste Woche? Hilfe zur Selbsthilfe Nach dem Schock brechen die un- terschiedlichsten Gefühle über die Betroffenen herein, sie befinden sich regelrecht in einem Gefühlschaos. Auch der Körper kann heftig reagie- ren: Schlafprobleme, Weinkrämpfe, Appetitlosigkeit, Magen- und Verdau- ungsbeschwerden, Kopf- und Glieder- schmerzen. Oft erfahren Menschen nach der Selbsttötung eines Angehöri- gen Ausgrenzung, Verständnislosigkeit und Schuldzuweisungen. In der „Trauergruppe für Hinterbliebe- ne nach Suizid“ des Arbeitskreises Le- ben (AKL) Böblingen e. V. treffen Men- schen aufeinander, die ähnliche oder die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Menschen, die die gleiche Fas- sungslosigkeit, die gleiche Verzweif- lung erlebt haben oder immer noch erleben. Vieles braucht nicht erklärt zu werden. Die oft gestellte Frage „Bin ich noch normal?“ und der eigene Trauer- weg können mit den Erfahrungen der anderen verglichen werden. Das kann sehr entlastend sein. Zuhören und Reden Der Abend bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, über das sprechen zu kön- nen, was ihnen auf der Seele brennt – und was im Alltag oft keinen Platz hat. Hier ist Raum für alles, das im Freun- des- und Familienkreis so nicht ange- sprochen werden kann. Es kann nichts mehr ungeschehen gemacht werden, aber zusammen mit anderen finden sich leichter Möglichkeiten, damit wei- terzuleben. Das Wort, das einem hilft, kann man sich selbst oft nicht sagen. Die unvoreingenommene Begegnung und das gemeinsame Aushalten hel- fen, die Gefühle zu ordnen und das eigene seelische Gleichgewicht wieder- zufinden. Die Teilnahme an der Trauergruppe ist kostenlos und unverbindlich. Die Gruppe trifft sich immer am ersten Mittwoch im Monat von 19.00 bis 20.30 Uhr in Sindelfingen und ist für jeden offen, der einen nahestehenden Menschen durch Selbsttötung verlo- ren hat, egal wie lange der Suizid zu- rückliegt. Nach einem Vorgespräch ist ein Einstieg jederzeit möglich. Kontakt über den AKL oder die Gruppenleiterinnen: Mail: akl-boeblingen@ak-leben.de Telefon (Anrufbeantworter des AKL): 0 70 31 / 3 04 92 59 Barbara Gogoll: 01 74 / 9 58 90 57 Margit Wagner: 01 72 / 7 24 46 82 31