TrauerTrauer NACH SUIZID Wir leben in krisenhaften Zei- ten. Corona-Krise, Klimak- rise, Finanzkrise, Inflation, Ukraine-Krise machen uns zu schaf- fen. Dazu können uns auch ganz per- sönliche Krisen, ausgelöst durch z. B. Trennungen, Krankheit, Tod, Einsam- keit, berufliche Probleme, seelische Er- krankungen, ganz erheblich zusetzen. Und in solchen schweren Lebenskri- sen denken viele Menschen besonders über den Sinn ihres Lebens und oft auch über ihren Tod nach. Ausweglo- sigkeit und Verzweiflung können so massiv werden, dass Menschen keinen anderen Weg mehr sehen, als sich das Leben zu nehmen. Es sind fast 10 000 Menschen jeden Al- ters, Männer und Frauen, Verheiratete, Väter, Mütter, Kinder, Freunde, Gesun- de und Kranke, die sich jedes Jahr in Deutschland das Leben nehmen. Die überwiegende Zahl sind Männer im Al- ter zwischen 50 und 60 Jahren. Män- ner, die sowieso nicht gerne über ihre seelische Verfassung sprechen, fühlen sich vielfach extrem einsam im Erle- ben dieser krisenhaften Situation, vor allem wenn diese auf eine schon beste- hende depressive Erkrankung trifft. Fassungslosigkeit und Trauer Jeder dieser Menschen hinterlässt An- gehörige, die von der Selbsttötung be- troffen sind. Unberücksichtigt bleiben dabei Personen mit mehr Distanz zum Verstorbenen, wie z. B. Schulklassen, Arbeitskollegen, Freunde und andere Gruppen. Auch sie sind fassungslos, hilflos und trauern. Man geht davon aus, dass bei einem Suizid etwa 20 wei- tere Personen aus dem nahen Umfeld tief berührt sind und persönliche Kri- sen durchleben. Wir verstehen in der Regel nicht, wa- rum sich jemand das Leben nimmt. Wir stehen fassungslos vor dieser Ent- scheidung und suchen Fehler im Le- ben dieses Menschen, bei uns selbst, bei Menschen, die ihm nahestanden. Die Frage nach dem Warum, wer hat Schuld, steht übergroß im Raum. Nie- mand tötet sich leichtfertig. Immer geht eine Zeit des Leidens voraus, die manchmal für die Hinterbliebenen sichtbar, oft aber unbemerkt verläuft. Suizid ist eine Form zu sterben, diese wertfreie Feststellung kann hilfreich sein und helfen, diese Todesart des Angehörigen zu akzeptieren. Besondere Belastung Jeder Todesfall ist mit Trauer und Kum- mer verbunden. Jedoch hat die Art des Todes einen wesentlichen Einfluss auf die Trauer und die Lebensbewältigung danach. Eine Selbsttötung bringt Fra- gen und Erschwernisse mit sich, die bei anderen Todesarten nicht oder nicht in dieser Heftigkeit auftauchen. Wenn ein Mensch sein Leben durch Suizid beendet, gerät für die Hinterbliebenen alles ins Wanken. Ein Suizid verändert ihr Leben grundlegend. Nichts ist mehr so, wie es war. Die Situation nach einem Suizid stellt für Angehörige eine enorme Belastung dar, oft sind sie traumatisiert. Da Suizid kein gewöhnlicher Todesfall ist, muss die Polizei ermitteln, um die Möglich- keit eines Verbrechens auszuschließen. Der Leichnam wird beschlagnahmt und darf bis zum Transport in die Ge- richtsmedizin von Angehörigen nicht berührt und versorgt werden. Angehö- rige werden befragt, ein Abschiedsbrief gesucht, Zimmer versiegelt. Der Schock ist groß, Angehörige erleben diese Zeit und die Wochen danach oft wie in Wat- te gepackt. Nach dem Schock brechen die unterschiedlichsten Gefühle über die Betroffenen herein, sie befinden sich regelrecht in einem Gefühlschaos. Auch der Körper kann heftig reagie- ren: Schlafprobleme, Weinkrämpfe, Appetitlosigkeit, Magen- und Verdau- ungsbeschwerden, Kopf- und Glieder- schmerzen. Oft erfahren Menschen nach der Selbsttötung eines Angehöri- gen Ausgrenzung, Verständnislosigkeit und Schuldzuweisungen. In der „Trauergruppe für Hinterbliebe- ne nach Suizid“ des Arbeitskreises Le- ben (AKL) Böblingen e. V. treffen Men- schen aufeinander, die ähnliche oder die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Menschen, die die gleiche Fas- sungslosigkeit, die gleiche Verzweif- lung erlebt haben oder immer noch erleben. Vieles braucht nicht erklärt zu werden. Die oft gestellte Frage „Bin ich noch normal?“ und der eigene Trauer- weg können mit den Erfahrungen der anderen verglichen werden. Das kann sehr entlastend sein. Der Abend bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, über das sprechen zu kön- nen, was ihnen auf der Seele brennt – und was im Alltag oft keinen Platz hat. Hier ist Raum für alles, das im Freundes- und Familienkreis so nicht angesprochen werden kann. Trauer, Verzweiflung, Wut, Schuldgefühle, Versagen, Ratlosigkeit, Scham. Nichts wird weggeredet. Es kann nichts mehr ungeschehen gemacht werden, aber zusammen mit anderen finden sich leichter Möglich- keiten, damit weiterzuleben. Das Wort, das einem hilft, kann man sich selbst oft nicht sagen. Die unvoreingenommene Begegnung und das gemeinsame Aushalten hel- fen, die Gefühle zu ordnen und das eigene seelische Gleichgewicht wieder- zufinden. Die Teilnahme an der Trauergruppe ist kostenlos und unverbindlich. Die Gruppe trifft sich immer am ersten Mittwoch im Monat von 19 Uhr bis 20.30 Uhr in Sindelfingen und ist für jeden offen, der einen nahestehenden Menschen durch Selbsttötung verlo- ren hat, egal wie lange der Suizid zu- rückliegt. Nach einem Vorgespräch ist ein Einstieg jederzeit möglich. Kontakt über den AKL oder die Grup- penleiterinnen: Mail: akl-boeblingen@ak-leben.de Telefon (Anrufbeantworter des AKL): 0 70 31 / 3 04 92 59 Barbara Gogoll: 01 74 / 9 58 90 57 Margit Wagner: 01 72 / 7 24 46 82 31